Der Nibelungensteig – Etappe eins
Ein Buch gab mir den Impuls: Der Salzpfad von Raynor Winn. Wie es zur Wanderung auf dem englischen Küstenpfad South West Coast Path kam, was die Protagonisten erleben und was sich bei ihnen im Ver-Lauf veränderte, wird auf etwa 400 Seiten spannend erzählt. Nach dieser Lektüre hatte ich sofort große Lust selbst loszulaufen. Aber wie einfach so nach England kommen? Ich bin keine 20 mehr, dazu kommen: Brexit, Krisen, Schulkinder. Warum nicht einfach den Nibelungensteig laufen: er liegt vor der Haustür.
Die erste Etappe führt von Zwingenberg bis Lindenfels, ist 27,6 km lang und dauert etwa sieben Stunden. Ich fragte mich:
- Wie komme ich von Rimbach nach Zwingenberg, zum Startpunkt?
- Wie anstrengend sind 27,6 km? Ist es am Stück gut für mich zu schaffen?
- Wie abgeschieden ist man von der Zivilisation?
- Welche Ausrüstung brauche ich?
Was ist nur mit dem Nahverkehr los?
In Zwingenberg möchte ich kein Auto rumstehen haben und auch keinen Privatchauffeur beschäftigen, deshalb fällt die Entscheidung für den Nahverkehr. Entweder man nimmt die Weschnitztalbahn nach Weinheim und dann den Zug nach Zwingenberg oder die zweite, schnellere Möglichkeit ist, ab Lörzenbach-Brücke mit dem Bus nach Heppenheim zu fahren und von dort mit dem Zug nach Zwingenberg – man muss nur zur Brücke kommen oder sich nur dorthin bringen lassen. Die theoretisch bestmögliche Zeit: 39 Minuten. So dachte ich, denn der DB-Fahrplan sieht diese Verbindung vor.
Ich habe mich dann weiter nach Heppenheim fahren lassen, aber als wir gerade Richtung Lauten-Weschnitz abbogen, kommt uns doch ein Bus entgegen. Komisch. Meine Vermutung, dass hier was nicht stimmt, bestätigt sich, als eben dieser später in Heppenheim am Bussteig vorfährt. Schade, denn ich wäre gerne ganz mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren.
In Zwingenberg
Sonntagmorgen gegen halb zehn in Zwingenberg: Das erste Stück vom Bahnhof zur Stempelstelle Bunter Löwe/Touristinformation ist schnell gemacht. Ich hatte mir vorab einen Nibelungensteig-Wanderpass aus dem Internet ausgedruckt, allerdings sind die Stempelstellen noch geschlossen, und auch sonst begegnet mir kein Mensch.
Der eigentliche Startpunkt des Nibelungensteigs befindet sich oberhalb des Städtchens. Vom Zentrum gibt es dorthin Wegmarkierungen.
Zum Melibokus
Das erste Stück der ersten Etappe führt durch ein kurzes Waldstück, Weinberge und weitere Waldpassagen stramm nach oben bis zum Aussichtsturm auf dem Melibokus. Eine abwechslungsreiche Strecke, die sich auch als eigenständiger Ausflug anbietet.
Odenwald-Landschaft
Immer wieder ähnlich und trotzdem abwechslungsreich: Unser Odenwald. Nach dem Abstieg vom Melibokus geht der Weg auf und ab, immer weiter durch Wiese, Feld und Wald.
Das Felsenmeer
Nach einer längeren ansteigenden Waldpassage erreiche ich den Felsberg, den Orly-Turm und den Parkplatz Felsberg am oberen Eingang zum Felsenmeer. Da dies mein erster* Gang durch das Felsenmeer ist, faszinieren mich auch die Infos auf den vielen Tafeln. Die Römer haben hier tatsächlich Steinsäulen für ihre Bauten angefertigt und abtransportiert, Einzelstücke nicht verwendeter Werkstücke gehören heute zu den Highlights im Felsenmeer.
*Nach mehreren Versuchen zu früheren Zeiten, das Felsenmeer zu besuchen, die allesamt am überfüllten unteren Parkplatz scheiterten, hatte ich dieses Vorhaben irgendwann aufgegeben…
Von Reichenbach über Hohenstein zum Krehberg
Nach dem steilen und schwierigeren Abstieg durch das Felsenmeer, beginnt kurze Zeit später, der nächste und längste Anstieg zum Krehberg. Vorher komme ich durch Reichenbach, am Kletterfels Hohenstein, an einer Anhöhe namens Elisabethenruhe und dem Aussichtspunkt Mathildenruhe vorbei. Es zieht sich jetzt, das Wetter wird schlechter und meine Beine tun weh. Alles dauert länger als gedacht. Die Etappe in zwei Teilen zu laufen wäre rückblickend auch okay gewesen.
Übrigens, der Krehberg ist nicht nur auf dieser Etappe, sondern auf dem gesamten Nibelungensteig die höchste Erhebung (575,7m ü. NHN).
Abstieg vom Krehberg nach Schlierbach
Das letzte Stück dauert ewig. Meine Beine tun immer noch weh, es ist ungemütlich und es wird dunkel. Streckenweise führt nur noch ein Trampelpfad durchs Schlierbachtal nach unten. Vorbei an einer kleinen Kneipp-Anlage. Schön, aber die Luft ist jetzt draußen. Ich lasse mich am Hof-Kaffee-Meister abholen, müde und glücklich. Natürlich werde ich die zweite Etappe genau an dieser Stelle beginnen.
Mein Fazit: Die Strecke ist schon lang, um sie am Stück an einem Herbst- oder Wintertag zu laufen. Ich hatte zwar nie das Gefühl, völlig abgeschieden zu sein, aber es sind längere Passagen dabei, in denen keine Straße kreuzt und in denen man möglicherweise auch keiner Menschenseele begegnet. Trotzdem war es nicht so einsam, wie ich zu Beginn befürchtete. Wertvolle Informationen und Inspirationen findet man auf der Website vom Nibelungensteig. Viel Vergnügen beim Erkunden und Erleben!
Zu guter Letzt noch ein paar verwackelte Handyaufnahmen: