ein Sonntagsspaziergang mit Marion Jöst.
Heute ist der erste warme Tag in diesem Jahr, an dem die Bäume alle grün sind und der Frühling richtig sichtbar ist. Der Mai ist gekommen.
Ich bin um 14 Uhr zum Sonntagsspaziergang mit Marion und anderen Baumbegeisterten an der Tränke verabredet. Die Führung findet im Rahmen der Veranstaltungen des Geo-Naturparks Bergstraße Odenwald statt, mit Marion Jöst vom Geopark-vor-Ort-Team Weschnitztal.
Holunder – Blüten und Beeren
Dieser Spaziergang startet, noch bevor wir uns dem ersten Baum nähern, mit einem kleinen Umtrunk. Wir kosten noch an der Tränke von Holunderblütensirup und Holunderbeerensaft. Ich fühle mich sofort in meine Jugend zurückversetzt: Die leckere Limonade aus Holunderblütensirup und eiskaltem, sprudeligem Mineralwasser plus Minzblatt habe ich früher oft im Sommer getrunken, als ich in Cafés und Kneipen unterwegs war.
Holunderbeerensaft hingegen erinnert mich an schwarzen Johannisbeersaft. Ganz pur schmecken beide nicht, gemischt mit einem süßen Saftpartner sind sie dagegen superlecker und gesund! Holundersaft wird häufig bei beginnenden Erkältungen verabreicht, enthält viel Vitamin C, Mineralstoffe und Flavonoide.
Wir laufen los und kommen jetzt auch an einem jungen Holunderbusch vorbei. Wir lernen, wie man ihn und viele andere Bäume und Sträucher am Geruch erkennen kann: Fasst man mit der Hand durch die Blätter und streift an ihnen entlang, werden Duftstoffe abgegeben, an denen sich die jeweiligen Arten unterscheiden lassen. Aber Achtung:
„Willst Du aus dem Leben scheiden, tue den Holunder schneiden.“
Bauernweisheit
Für mich neu ist auch, dass es neben dem weit verbreiteten Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) auch giftige Sorten gibt: Roter Traubenholunder (Sambucus racemosa) und vor allem der Zwerg-Holunder (Sambucus ebulus). Während wir weitergehen rätseln wir, wie die alte Bauernweisheit wohl gemeint sein könnte.
Weide – Rinde
Ein hochgewachsener Weidenbaum ist die nächste Station an der wir haltmachen. Weidenrinde wird in der Volksmedizin seit langem zur Linderung verschiedenster Leiden genutzt. Auch in der modernen Medizin wird sie zur Schmerzlinderung, bei chronischen Schmerzen oder bei entzündlichen, rheumatischen Erkrankungen in Form von Tee und Extrakten angewendet.
Jetzt im Frühling lässt sich die zarte Rinde besonders gut von den jungen Zweigen abziehen. Das in der Rinde enthaltene Salicin wird im Körper zu Salicylsäure umgebaut und hat eine ähnliche Wirkung wie Aspirin.
Lärche – Harz
Wir laufen weiter bergauf in Richtung Fuhrshöfe. Im Mischwald linkerhand steht eine hochgewachsene Lärche mit einer größeren Wunde am Stamm. Baumharz bildet der Baum zum Schutz vor Eindringlingen und zum Abschließen der Wunde. Es ist ein weiteres Geschenk des Waldes an uns. Daraus lässt sich Pechsalbe herstellen, früher war das eine wichtige Medizin.
Interessantes am Wegesrand
Die Biologin Marion Jöst ist hauptberuflich seit vielen Jahren bei der Gemeinde Rimbach beschäftigt. Auch an ihrem Wissen um Geschichte und Geschichten über und aus der Region lässt sie uns teilhaben.
… statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln …
Das Odenwaldbuch des Dr. Ludwig Gottfried Klein, 1754;
Übersetzung Kreisarchiv Odenwaldkreis, 2016
Warum hat sich im hier der Seifensieder niedergelassen? Wie wurden die Odenwälder vom Geschichtsschreiber und Leibarzt der Erbacher Grafen, dem Dr. Ludwig Klein 1754 charakterisiert? Warum beschreibt er, als gebildeter und studierter Mensch, die Untertanen zwar etwas abfällig aber als medizinisch interessiert?
Fichte – Knospen
Kurz bevor es in tief den Wald hineingeht, treffen wir den nächsten Kandidaten: die Fichte. Sie liefert uns ihre Triebspitzen, auch Fichtenknospen genannt. Man kann sie direkt vom Baum essen. Sie besitzen viel Vitamin C und Bitterstoffe. Aber Achtung: Nicht alle Nadelbäume liefern essbare Knospen.
Birke – Blätter
Bevor wir zu den Birken kommen, passieren wir den „Schlabbeboam“ , eine Buche an einer Kreuzung, an dem immer Schlappen (Schuhe) hängen und es gilt ein Hindernis zu überwinden: aufgetürmtes Reisig versperrt den Weg.
Auf dem Weg weiter, bis zum Birkenwäldchen, machen wir uns ohne größere Anstrengung, ohne zu Überlegen und ganz automatisch eine weitere heilsame Kraft des Waldes zunutze: Waldbaden.
Von vielen der Bäume lassen sich auch verschiedene Teile nutzen. Bei der Birke kommen jetzt außer Knospen, Rinde und Baumsaft auch noch die Blätter ins Spiel. Ich assoziiere hierbei außerdem die wohltuende Wirkung des Abklatschens mit Birkenwedeln in der original finnischen Sauna.
Der Weg zurück
Das Donnergrollen kommt jetzt näher. Der Rundweg führt uns weiter an einer Sturmschneise und später an gestapelten Holzstämmen vorbei. Etwas oberhalb der Tränke stoßen wir auf den Weg, der mich – Fußgänger – direkt nach Hause zurückführt. Alle anderen verabschieden sich an der Tränke, gerade noch rechtzeitig, bevor der Platzregen kommt.
Marion Jöst ist Umweltberaterin und Biologin. Ihr aktuelles Profil als Mitglied des Geopark- vor-Ort-Teams Weschnitztal findet ihr hier. Weitere Termine und Veranstaltungen werden in den Tageszeitungen und im Weschnitzblitz veröffentlicht.
Fazit: Der Wald birgt so viele Schätze. Das nächste Mal möchte ich mich voll und ganz auf die wohltuende Atmosphäre einlassen und werde dann wohl ohne Kamera dabei sein. Tja…😉
Achtung: Die genannten Anwendungen und Wirkungen bieten nur einen kleinen Einblick in die Welt der Naturmedizin. Für die Herstellung von Medizin aus Bäumen und deren Anwendung sind die hier aufgeführten Informationen nicht ausreichend.