Die alte Rathaus-Apotheke

Fast ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit sich die Gemüter in Rimbach über ein altes Haus erhitzten. Die Meinungen waren gespalten: Die einen befürworteten den Abriss, während andere vehement für den Erhalt plädierten. Damals stellten sich grundlegende Fragen: Sollte das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden? Wer würde den Erwerb und die dringend benötigte Sanierung finanzieren? Und welche Zwecke sollte es in Zukunft erfüllen? Das besagte Gebäude ist heute Teil der Sparkasse und befindet sich in der Rathausstraße (Nr. 3).

Von der Apotheke zur Sparkasse

Von 1811 bis 1909 befand sich an dieser Stelle Rimbachs älteste Apotheke, später zog eine Drogerie ein. Deshalb kursieren mehrere Bezeichnungen: die alte Apotheke, die alte Rathaus-Apotheke, die Rathaus-Drogerie. Am Gebäude selbst befindet sich seit einiger Zeit eine Schild (Geonaturpark), welches auf die Apotheker, die es früher in Rimbach gab, verweist. Weitere Informationen zu den Apothekern finden sich außerdem im Buch Rimbach im Odenwald, Ein Streifzug durch die Ortsgeschichte [2]. Aber auch der Straßennamen änderte sich mehrfach: Ortsstraße, Kaiserstraße, Straße der SA, Hauptstraße und Rathausstraße.

Apotheker und Apotheken

Zu den Apothekern in Rimbach finden sich einige online erfasste, ältere Dokumente, die bis ins 18. Jahrhundert reichen. Es handelt es sich dabei um Handschriften mit individueller Ausprägung, die nur schwer lesbar sind.

Über 250 Jahre erstreckt sich diese Apothekerlinie

Erst sehr viel später öffneten in der Kerngemeinde zwei weitere Apotheken: die Odenwald-Apotheke (1972) und die Brunnen-Apotheke (1990).

Ausschnitt einer alten Postkarte der Rathausstraße von Rimbach
Aus der Postkarten-Sammlung von Georg Frohna, um 1900

Diese Aufnahme ist Teil einer mehrteiligen Postkarte. Sie zeigt die Rathausstraße Anfang des 20. Jahrhunderts, ich vermute so um 1910. Der Blick führt, ausgehend vom Rathausvorplatz, in Richtung Staatsstraße. Am rechten Bildrand angeschnitten sieht man die damals noch mit Jugendstil-Ornamenten geschmückte und verputzte Fassade der Rathaus-Drogerie.

Auch interessant sind zwei Gasthäuser auf der linken Seite. Der Schönberger Hof (zweite Fassade links) und das Gasthaus Zum Edelweiß (viertes von links). Der Waldbach führte zu dieser Zeit noch offen durch den Ort.

Rathausstrasse Rimbach 2024, Blick Richtung Staatsstraße
Die Rathausstraße in Rimbach, 2024

Die Drogerie von Michael Schmitt XVII & Margarethe Schmitt

Nach dem Auszug der Apotheke des Ludwig Leonhardt in die Staatsstraße übernahm Michael Schmitt das Ladengeschäft, es wurde zur Drogerie. Nach seinem Tod 1952 führte seine Witwe die Geschäfte weiter. Die Drogerie handelte mit Drogen, Chemikalien und gesetzlich freigegebenen Arzneimitteln, sowie offenen Lebensmitteln.

Margarethe Schmitt fehlten zunächst die erforderlichen Qualifikationen für den Handel mit bestimmten Giften. Die Korrespondenz darüber ist im Archivinformationssystem des Hessischen Landesarchivs[6] dokumentiert und erstreckte sich von 1952 bis 1954. Besonders bemerkenswert ist, dass in sämtlichen Schriftstücken – mit einer Ausnahme – immer von der Witwe des Michael Schmitt XVII die Rede ist. Zu jener Zeit war es noch üblich, Frauen nach ihren Ehemännern zu benennen, selbst wenn diese bereits verstorben waren.

Altes Ffachwerkhaus, kleiner Hund, Ochse zieht Karren, Schwarz-weiß-Foto
Foto: Waltraud Spindre, 1960er Jahre [7]
JahrNameOrtQuelle
1909 – 1952Drogerie
Michael Schmitt XVII
Kaiserstraße 189 =
Hauptstraße 7 =
Rathausstraße 3
Arcinsys [6]
1952 – 1970?Drogerie
Margarethe Schmitt (Witwe)
*21.9.1887
Hauptstraße 7 =
Rathausstraße 3
Arcinsys [6]
Etwa 60 Jahre lang war eine Drogerie in dem Gebäude untergebracht.

Ich hätte nicht gedacht, dass Margarethe Schmitt (*1887) in ihren Achtzigern, also etwa um 1970, die Drogerie noch selbst führte. Aber dem war so. Mir wurde versichert, dass Frau Schmitt die Drogerie bis etwa 1970 persönlich betrieb.

Brillen, Uhren & Schmuck Dingeldein

Ende der 70er Jahre fanden sich Käufer für das Gebäude: das Ehepaar Jutta Dingeldein & Dieter Widtmann. Jutta Dingeldein führte in der Fahrenbacher Straße ein Brillen, Uhren & Schmuck Geschäft. Begeisterung für altes Fachwerk und der gute Standort für das Geschäft motivierten sie, das anspruchsvolle Projekt in der Rathausstraße in Angriff zu nehmen. Die Verhandlungen und Bemühungen waren nicht immer einfach, denn mittlerweile war der Denkmalschutz auf die alten Häuser aufmerksam geworden, und es galt vielen Verordnungen und Ansprüchen gerecht zu werden.

Das Gebäude wurde Stück für Stück abgetragen und an fast der gleichen Stelle mit etwa 80% des originalen Fachwerks neu aufgebaut. Die Markierungen der Zimmerleute an der ursprünglichen Holzkonstruktion sind trotz Überlackierungen immer noch gut zu erkennen.

Ein rückwärtiger Anbau wurde entfernt; außerdem wurde die Grundfläche nivelliert, sodass das Gebäude jetzt wieder ebenerdig betreten werden kann. Zuvor gab es nach unten führende Stufen, was auf die Aufschüttung der Straße in den fünfziger? Jahren zurückzuführen war. Bei den wiederkehrenden Weschnitz-Überflutungen liefen damals die Keller regelmäßig mit Wasser voll.

In einem Zeitungsartikel der Odenwälder Zeitung vom 24.4.1980 wird die alte Rathaus-Drogerie als ein über 300 Jahre altes Haus bezeichnet. Andere Quellen hingegen sprechen 1811 von einem „Neubau“ an dortiger Stelle. Dieser Widerspruch (1980 – 300 = 1680) lässt sich möglicherweise damit erklären, dass es sich bei Fachwerkhäusern nicht zwingend um Immobilien im Wortsinn handelt. Möglicherweise stand die Holzkonstruktion zuvor schon an anderer Stelle und wurde 1811 in der Rathausstraße wieder aufgebaut.

Der Denkmalschutz ordnet die alte Drogerie der Gesamtanlage Rathausstraße zu, welche die Hausnummern 3-15 umfasst. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Krumm Stubb (Rathausstraße 7) als Einzelkulturdenkmal innerhalb dieser Anlage unter besonderem Denkmalschutz steht[8].

Dingeldein – Brillen, Uhren & Schmuck zog in das sanierte Gebäude ein. Ein passagenartiger Durchgang mit Schaufenstern hatte bis 1998 Bestand, dann zog das Ladengeschäft auf die gegenüberliegende Straßenseite um. Carena Widtmann, die Tochter der bisherigen Inhaber übernahm das Geschäft und erweiterte ihr Angebot den Anforderungen der Zeit entsprechend um Kontaktlinsen und Augencheck.

JahrNameOrt
19?? – 19??Brillen, Uhren & Schmuck
Dingeldein
Fahrenbacher Straße 20
19?? – 1981Brillen, Uhren & Schmuck
Jutta Dingeldein
Fahrenbacher Straße 20
1981 – 1998Brillen, Uhren & Schmuck
Jutta Dingeldein
Hauptstraße 7 =
Rathausstraße 3
1998 – heuteCarena WidtmannRathausstraße 8
Brillen, Uhren & Schmuck Dingeldein und Widtmann

Sparkasse

Seit 1998 werden die Gebäude Rathausstraße 3 und 5 zum größten Teil von der Sparkasse Starkenburg genutzt. 2023 fand eine umfassende Außensanierung statt, bei der auch die Beschriftungen (Logos) dem historischen Aussehen angepasst wurden.

Quellen:

Herzlichen Dank für viele Informationen und den persönlichen Austausch: Helga Müller-Kotthaus, Carena Widtmann, Waltraud Spindre, Geo-vor-Ort Team Weschnitztal mit Marion Jöst, Georg Frohna, Horst Eberle, Katja Gesche und Brigitta Schilk.

Kleinere Ergänzungen sind in den nächsten Tagen noch möglich.
Geringfügige Überarbeitung des Textes am 28.2.2024 mit ChatGPT: Kommasetzung und Grammatik

  • [1] In Absprache mit der Odenwälder Zeitung – Herzlichen Dank!
  • [2] K.-L. Schmitt: Rimbach im Odenwald – Ein Streifzug durch die Ortsgeschichte, S. 151 -153
  • [3] Arcinsys Hessen | Signatur HStAD G 15 Heppenheim P 519
  • [4] Webseite Apotheke Leonhardt
  • [5] Telefonat mit Herrn Kordelle 6.2.24
  • [6] Arcinsys Hessen | Signatur HStAD G 15 Heppenheim P 550
  • [7] Foto von Waltraud Spindre; siehe auch Waltraud Spindre – Website
  • [8] https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de

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